3 Uhr nachts und der Jetlag macht sich bemerkbar. Unfreiwillig heißt es nach ungefähr zwei Stunden Schlaf: Guten Morgen Las Vegas. Nach zwei Stunden vergeblichem Umherdrehen im Bett und den ein oder anderen Blick auf das am Bettrand liegende IPhone später, habe ich es dann aufgegeben und bin aufgestanden.
Angespannt. Warum? Weil Len, der auch weniger als zwei schlafen konnte, noch nicht „in der Luft“ war, sondern die Tragflächen des in Seattle stehendes Flugzeuges noch enteist werden mussten. Nach einer Stunde bangen Wartens, dann endlich die gute Nachricht: Es geht los, der Flieger rollt auf die Startbahn und hebt ab. Durchatmen angesagt. Pünktlich zum Sonnenaufgang heißt es dann jetzt auch freiwillig: Guten Morgen Las Vegas und f*ck dich Jetlag“.
Duschen, Anziehen, Klamotten packen, Koffer zu und ab zum Check Out. Noch kurz einen kleinen Stopp am Roulette-Tisch, des Hoteleigenen Casinos, um sagen zu können man hätte in Vegas mal in einem Casino gespielt, 40 Euro in wenigen Sekunden verspielt und raus aus dem Hotel. „Wow, die Sonne scheint. Vegas ist tagsüber gar nicht so schlecht, wie erwartet“.
Jetzt hieß es nur noch auf das Uber warten, welches mich zum Flughafen bringen sollte, um dort Len zu treffen. Natürlich ließ der Uber-Fahrer auf sich warten, aber dieser Umstand war zu ertragen, weil ich wusste, dass unser Roadtrip in wenigen Minuten losgehen könnte.
Ein gezwungenes politisches Gespräch über die Missstände in Nord- und Mittelamerika später, bin ich dann am Terminal drei auf Level zwei des Las Vegas Airports angekommen. Rein in den Fahrstuhl und runter auf Level eins und da stand er dann: Len ist auch endlich nach über 32 Stunden Reise-Tortur in Vegas angekommen. Die Erleichterung war uns beiden im Gesicht zu anzusehen.
Unser Drei-Staaten-Roadtrip kann losgehen. Noch nicht ganz. Erst einmal mussten wir auf den Shuttle-Service warten, der uns zum zentralen Punkt der Autovermietungen des Flughafens gefahren hat, denn ohne Auto wird ein Roadtrip sicher unmöglich. Kurz nachdem wir beide Führerscheine eingescannt und ungefähre 1000000 Unterschriften abgegeben haben, stand und dann die schwere Entscheidung bevor: Welchen der fünf Mustangs nehmen wir? Absolutes First World Problem.
Wir entschieden uns für ein schwarzlackiertes Pferdchen mit schwarzen Alu-Felgen und sicher einigen weiteren Pferdchen unter der Haube. Passend zum Nummernschild aus California hatte unser Mustang ein Faltdach, welches sich öffnen ließ. Cali-Vibes in Las Vegas, Mega!
In Windeseile haben wir die 3 Koffer, den einen Rucksack und die zwei Winterjacken ins Fahrzeug geladen. Physikalisch unmöglich, aber was solls, wir sind in Vegas. Was Siegfried und Roy können, das können wir auch. Jetzt konnte der Roadtrip wirklich losgehen!
Mit natürlich offenem Dach, lautem Old-School-Hip-Hop aus den Boxen des Mustangs und der Klimaanlage auf Anschlag, sind wir Weißbrote durch die mit Palmtrees besetzten Straßen von Vegas gefahren.
Ist das der American Dream? Weit gefehlt. Denn nur ein paar Minuten später hat sich die Wolkendecke zugezogen und wir mussten anhalten, um das Dach unseres Cabrios zu schließen. Das hat uns in die Karten gespielt, da wir sowieso anhalten wollten, um endlich was zu essen. Nur wenige Minuten vorher habe ich Len darauf aufmerksam gemacht, dass es hier in der Nähe einen Subway gäbe. Seine Antwort: „Ich gehe doch nicht zu einem Subway, wenn ich den USA bin, das kann ich auch in Deutschland essen.“ Fünf Minuten später haben wir uns dann in North Las Vegas im Drive-Thru des örtlichen McDonalds wieder gefunden. Ist klar, Len!
Traurigerweise befanden wir uns in einem der ärmsten Viertel von Las Vegas, dass uns direkt auf den Boden der Tatsachen zurückholen sollte: Das kann nicht der amerikanische Traum sein. Vorwiegend arme und Afro-Amerikanische Menschen, die wenige Kilometer abseits der künstlich aufgebauten und schildernden Hotelcasinos, jeden Tag ums Überleben kämpfen müssen. „Third World Country with a first world paint eben.“
Geläutert, aber gesättigt haben wir dann die Adresse unserer Unterkunft in Salt Lake City in das Handy-Navi eingegeben. Noch 685 Kilometer – Lets go!
Verdrängt was wir eben grade gesehen haben, freuten wir uns ein paar Meilen später über eine malerische Landschaft, die bekannten Red-Rocks und eine filmartige Wüstenkulisse. „Die Wolke da oben sieht aber cool aus.“
Als wir wenige Kilometer neben der Straße einen kleinen Sand-Tornado gesehen haben und Len beide Hände ans Lenkrad geklemmt hat, kam uns die Erkenntnis; Wir hätten den Wetterbericht eventuell nicht völlig ignorieren sollen! Hier der übersetzte O-Ton: „Ein Sturmsystem mit weit verbreiteten Winden, einigen schweren Gewittern und Schnee mit Blizzard-Bedingungen wird sich schnell verstärken, während es sich heute durch die Plateaus hebt. In der Zwischenzeit wird sich heute ein weiterer unbeständiger Sturm mit schwerem Bergschnee und starken Winden über der Region Four Corners bilden. Dieser letztere Sturm wird am Mittwoch und Donnerstag einen langen Schneestreifen und weit verbreitete schwere Stürme hervorrufen.“
Ideale Bedingungen für einen Roadtrip im Cabrio mit Sommerreifen. „Boah ich muss da voll gegenhalten“, rief Len als eine Windhose die Seite unseres Mustangs traf. „Ich fahr eigentlich ne Kurve, aber fahr gar keine Kurve“ beschrieb er treffend die Stäke des Sturms, in dem wir uns mittendrin befanden. Unser Plan war es eigentlich auszusteigen, um uns die Landschaft genauer anzuschauen und ein paar Fotos zu machen. Daran war nicht zu denken, denn ein paar Meilen später, pünktlich am Grenzpunkt zu Arizona, ließ der Wind zwar nach, aber die im Wetterbericht angesagten schweren Gewitter fingen an uns mit extremen Platzregen die Sicht zu erschweren. Den Scheibenwischer auf der höchsten Stufe, völlige Konzentration und ein paar MPH weniger, fuhren wir durch atemberaubende Gebirgsschluchten und Canyons. Endlich konnte man auch mal wieder das Handy rausholen und ein Video machen, weil der Regen leicht nachgelassen hatte.
„Das gröbste war vorbei“, dachten wir, aber das sollte noch kommen. Erinnert ihr euch an den angekündigten Blizzard und Schneesturm? Noch kurz vor der Grenze zu Utah wurde es auf einmal weiß. Überall. Links, rechts, oben und auf der Straße, überall Schnee.
Die Geschwindigkeit unseres Pferdchens gedrosselt, fuhren wir gefühlt Schrittgeschwindigkeit, da die ersten LKWs vor uns anhielten, um Schneeketten aufzuziehen oder ganz aufgaben. So ein Wetter kennen sie selbst in Arizona nicht. Kaum in Utah angekommen wurden die Verhältnisse noch bedrohlicher: Liegengebliebene Autos, Vollsperrungen und zahlreiche Unfälle zierten das Bild an den Straßenrändern. Auch uns wurde zunehmend anders im Magen. Dessen ungeachtet mussten wir es allerdings einfach durchziehen, denn zum Umdrehen war es zu spät.
Aus 6 Stunden wurden 7 Stunden, aus denen acht Stunden wurden und so weiter. Unser Ankunftszeit verschob sich immer weiter nach hinten, was klar war, da wir seit gefühlten Stunden nur noch 30 km/h fahren konnten. Zu allem Überfluss hatte uns unsere Unterkunft aufgrund einer Doppelbuchung mitgeteilt, dass wir leider keinen Platz mehr haben und somit quasi „obdachlos“ sind.
Aber auch das konnten wir klären und haben eine vielversprechende Alternative über Airbnb gebucht. Pünktlich, nachdem wir die neue Bleibe bestätigt hatten, klarten die Wolkendecke und die Sichtweite auf und vor uns zeigten sich kulissenartige Gebirgsketten und trockene Straßen. Jetzt hatten wir wirklich das gröbste hinter uns.
Ab jetzt wurden die nächsten Stunden deutlich erträglicher. Der Stress ließ nach, die Musik wurde wieder lauter und beim Song „Hart to say I’m sorry von Chicago“ wurden alle Hüllen fallengelassen und die Erleichterung war in unseren Stimmen zu hören.
Um 19 Uhr Ortszeit sind wir dann endlich an der neuen Unterkunft in Salt Lake City angekommen. Zu unserer Überraschung waren wir die ersten Gäste die, die coole Wohnung jemals bezogen haben. Ungeduscht und völlig übermüdet haben wir uns nach der Zimmeraufteilung noch grob fertig gemacht und sind ins Bett gefallen. Gute Nacht Salt Lake City, was für ein Trip!