Zugegeben, die Anfangs-Euphorie der diesjährigen NBA-Playoffs war nach den ersten deutlichen Spielen leicht verflogen. Wer dem inneren Drang nach Schlaf deswegen nachgegeben hat und heute, fast am Ende der ersten Runde, auf das Playoff-Bracket schaut, wird überrascht sein über die aktuellen Zwischenstände.
Keiner der Favoriten sah wirklich gut und souverän aus und die aktuellen Zwischenstände schreien förmlich „Upset-Alarm“. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Bracket so aussieht wie ein gut servierter Martini: Geschüttelt und nicht gerührt.
Schütteln ist auch ein gutes Stichwort, denn die Denver Nuggets werden sich sicher in der zweiten Runde der Playoffs nochmal „schütteln“ müssen, bevor sie in das Duell gegen den anderen Titel-Contender im Westen, die Phoenix Suns, antreten müssen.
Die Schlafmützen unter euch werden sich jetzt sich über diese Aussage wundern, denn das 4-1 der Nuggets gegen die Timberwolves, sieht doch eigentlich souverän aus. Jein, denn das ersatzgeschwächte Team aus Minnesota, galt nach dem überraschenden Playoff-Einzug nach den Play-In-Games als absoluter Lieblingsgegner jeder Franchise im Westen. Trotz interner Differenzen zwischen All-Time Defender Rudy Gobert und Kyle „Slow Mo“ Anderson und dem Ausfall vom defensiven Shooting-Star Jaden McDaniels, gelang es dem Underdog der Serie trotzdem ein Spiel zu klauen. Getreu dem Motto „ein gutes Pferd springt nicht höher als es muss“ hat es trotzdem mit ausreichendem Abstand und ohne wirklich Sorge für Jokic und seine Nuggets gereicht. Am Ende der Serie steht das Ergebnis von 4-1 fest und der Favorit als Denver fegt mit einem Gentleman-Sweep über Minnesota.
Der Besen wurde auch in der „City of brotherly Love“ rausgeholt, denn die Nummer drei im Osten aus Philadelphia gewann die Serie deutlich mit 4-0 gegen ein neu erstelltes Team aus Brooklyn. Deutlich ist allerdings nur der Stand der Serie auf dem Papier: Die Nets sind nicht die Nets die es geschafft haben den Einzug in die Playoffs überhaupt erst zu ermöglichen. Nach dem Ausverkauf der Superstars, hat Brooklyn zwar ein interessantes Team um Neu-Superstar Mikal „Brooklyn-“ Bridges aufgebaut, trotzdem war das Team der klare Underdog vor der Serie. Philly konnte dies nur bedingt ausnutzen, denn wer sich die Spiele angeschaut hat, wird bemerkt haben, dass das nicht souverän aussah, was Embiid und Co. auf dem Parkett gezeigt haben. Am Ende der Serie hat es dann allerdings doch für einen klassischen Sweep gereicht.
Man könnte sagen Denver und Philadelphia sind die „Einäugigen unter den Blinden“, wenn man sich die strauchelnden Top-Favoriten der diesjährigen NBA-Playoffs anschaut.
Und genau darauf schauen wir jetzt: Die Boston Celtics und die Milwaukee Bucks galten nicht nur bei den Buchmachern der Wettbüros, sondern auch bei den meisten NBA-Experten als absolute Top-Teams im Osten. „Die Eastern Conference sei unterinteressant“, lautete der Tenor, denn jeder hat ein Conference Finale zwischen Milwaukee und Boston vorausgesagt.
Die Realität sieht allerdings anders aus. Während Boston noch verzweifelt versucht sich gegen die, mit dem Rücken zur Wand stehenden, Atlanta Hawks in die nächste Runde zu schlagen, steht Milwaukee mit einem 3-1 Rückstand selber mit dem Rücken zur Wand. Boston sollte die Serie im vergangenen Spiel eigentlich zumachen, aber Trae Young, der zu „Ice Trae“ mutierte, hatte was dagegen: 14 Punkte im vierten Viertel und der Game-Winner der Partie, lassen die zweitplatzierten Celtics im Osten beim Serienstand von 3-2 noch einmal zittern.
Kalt und zitterig ist es auch in Milwaukee. Das liegt allerdings nicht an den eiskalten Temperaturen am Lake Michigan, sondern viel mehr an der heiß laufenden Franchise aus Miami. Die Heat sind in Persona von Jimmy Buttler im absoluten Playoff-Modus und führen in der Serie als Achtplatzierter (!) gegen den Conference-Leader mit 3-1. Natürlich konnte niemand damit rechnen, dass „JiMVP“ den Playoff-Rekord der Miami Heat von Dwyane Wade oder LeBron James einstellt und mit 56 Punkten die viert-beste Playoff-Performance der NBA-Geschichte auf dem Hartholz auspackt. Dennoch sind die Milwaukee Bucks auch nach der Rückkehr des verletzten Megastars Giannis Antetokounmpo nur ein Schatten ihrer selbst. Khris Middleton ist aktuell keine verlässliche zweite Option und die Heat stehen kurz davor einen der größten Upsets in der ersten Runde der Playoffs der NBA-Geschichte zu schreiben.
Spontan fallen einem die Serien der Golden State Warriors gegen die Mavericks in 2007 oder die Grizzlies gegen die San Antonio Spurs aus 2011 ein.
Dallas war damals nicht nur der sicher geglaubte Titelfavorit, sondern galt als unschlagbar. Ähnlich wie die Bucks. Die Mavs gewannen 67 Spiele und hätten die erste Nicht-Bulls-Franchise aller Zeiten werden, welches 70 Spiele hätte gewinnen können. Nachdem das Team um Dirk Nowitzki im Vorjahr in den Finals verloren hatte, setzten alle Experten auf die erste Championship für Dallas. Wir alle kennen das Ergebnis: Erstrunden-Aus für die Mavs gegen das Überraschungs-Team aus Oakland um Baron Davis, Matt Barnes, Stephen Jackson und Jason Richardson.
Auch die San Antonio Spurs und Tim Duncan waren in der ersten Runde der 2011er Playoffs nicht dazu bereit das Überraschungsteam der Playoffs zu schlagen. Anders als bei Dallas kommt der Gegner nicht aus der Bay-Area sondern aus Memphis. Zach Randolph und Marc Gasol dominierten die Spurs und die Grizzlies schlugen die große Dynastie aus Texas in der ersten Runde.
Das diesjährige Team aus Miami könnte sich nahtlos hinter den 2007er Golden State Warriors und den 2011er Memphis Grizzlies einreihen und innerhalb der nächsten drei Spiele, einen Titelfavoriten aus der ersten Runde rauswerfen!
Eine Serie mit Titel-Favoriten fehlt allerdings noch und hier haben wir gleich zwei davon im direkten Duell. Phoenix Suns gegen die Los Angeles Clippers. Die Serie versprach Vielens, denn bei keiner anderen Serie konnte man so viele Allstars auf dem Parkett finden. Kevin Durant, Devin Booker und Chris Paul gegen Kawhi Leonard, Paul George und Russel Westbrook. Wahnsinn. Aber nur auf dem Papier, denn noch vor den Playoffs war klar, dass PG wegen einer Knie-Verletzung die gesamte erste Runde ausfallen wird. Nachdem Coach Tyronn Lue vor Spiel Drei deutlich gemacht hat, dass auch Kawhi Leonards Abwesenheit unvermeidlich ist, wurde die Serie von einem „Straßenfeger“ zu einer klaren Angelegenheit für die Suns.
Nur Russell Westbrook hatte was dagegen. Der einstige Superstar und heutige „bessere Rollenspieler“ hat drei Spiele in Folge gezeigt, dass noch viel Superstar in ihm steckt und war der Einzige, der sich gegen die jetzt übermächtig scheinende Phoenix Suns zur Wehr setze. Die Spiele wurden zwar spannend und haben viele Fans an die heimischen Fernseh-Geräte gelockt, allerdings konnten die Phoenix Suns alle drei Partien für sich entscheiden und warten jetzt in der zweiten Runde auf das erste Spiel gegen die Denver Nuggets.
Das Straucheln der Favoriten macht die Playoffs dieser Tage nur noch spannender und Teams wie die New York Knicks, die aktuell 3-1 gegen die Cavaliers führen und mit einem Bein in der zweiten Runde Stehen, würden sich mit Sicherheit über das ein oder andere Upset freuen. So kommt man eventuell noch einmal davon, gegen einen der großen Titelfavoriten in der zweiten Runde spielen zu müssen.
An all die Nachteulen, die sich die Nächte um die Ohren geschlagen haben: Glückwunsch, denn ihr habt viele spannende Spiele gesehen, mit denen wir so vor den Playoffs nicht gerechnet haben. An all die Schlafmützen: Ein paar Spiele in der ersten Runde sind noch zu gehen und nur 95,2% aller NBA-Teams schaffen es mit einer 3-1-Führung auch in die nächste Runde einzuziehen. Und bei so einer verrückten ersten Runde ist alles möglich. Das heißt, Wecker stellen und Playoffs genießen. Für spannende Serien wie Memphis gegen Lakers oder die Sacramento „Light the Beam“ Kings gegen den amtierenden Champion, die Golden State Warriors, lohnt sich das Aufstehen und die Augenringe ohnehin.