Started from the bottom now we’re here – dies sind gerade die ersten Worte, die mir kommen, wenn ich über meine letzten Tage in L.A. nachdenke. Angefangen ganz unten, und jetzt stehen wir hier.
Auf was beziehe ich es? Auf den Westen? Teams, die wir so nicht haben kommen sehen am Anfang der Season? Auf meinen eigenen Weg und die Menschen drumherum, die etappenweise mitgehen? Warum taucht diese Phrase als Erstes in meinem Kopf auf, wenn ich an die vergangene Woche denke?
Am ersten April ging es für mich nach L.A. Lakers vs. Warriors, next day Lakers vs. Pelicans und Clippers vs. Mavs.
So viele Emotionen, geballt in drei aufeinanderfolgenden Tagen. Sechs Pressekonferenzen, sechs Locker-Room-Besuche, unzählige Einzelfragen, zwei One-on-one-Interviews mit minus neun Stunden Zeitunterschied und viel zu wenig Schlaf.
LeBron vs. Steph: We started from the bottom now we here.
LeBron Raymone James; Akron, Ohio – St. Vincent-St. Mary High School.
Stephen Curry; (geboren im gleichen Krankenhaus wie LeBron in Akron), Davidson College – North Carolina.
Wie oft bekommen wir diese Möglichkeit noch, diese beiden zusammen auf dem Platz stehen zu sehen und wieder mal unter Beweis stellen, was es für ein Vorrecht ist, diese Ausnahmeathleten live gegeneinander antreten zu sehen.
Hätte das mal einer der kleinen 12-jährigen Aurelia erzählt, als die Lakers gerade ihren Three-Peat vereitelt haben. Started from the bottom – und jetzt sitze ich hier, euch diese Zeilen zu verfassen, wie ich hautnah beobachten durfte, wie LeBron und Steph back to back Dreier im vierten Viertel splashen.
Ich werde oft gefragt, wo ich meine Energie hernehme, all das möglich zu machen. Mit meinen zwei Jobs, immer zwischen Amerika und Deutschland, mehrfach im Monat hin und her zu pendeln und in einem Körper zu leben, der nie weiß, wann er sich an einer Routine orientieren kann oder in welcher Zeitzone er sich befindet.
Meine Energie liegt in der Freude und der Dankbarkeit, denn aus dem Schlaf bekomme ich sie nicht. Die Dankbarkeit, Dinge sehen zu dürfen, die nur wenigen vorbehalten sind, Gespräche zu führen, die einen neuen Blickwinkel eröffnen.
Das Leben sollte meiner Meinung nach eine Ansammlung kostbarer Momente sein. Geschichten, die wir schreiben und später erzählen und uns die Möglichkeit geben, mehr sehen und verstehen zu können. Es ist die Geschichte von Quinten Post und Jimmy Butler, pre game im Locker Room. Lakers vs Warriors, 3. April.
Quinten, geboren im März 2000, aufgewachsen in den Niederlanden, Amsterdam, der mir im Gespräch erzählt (das Interview folgt auch noch hier die Tage), wie er niemals geglaubt hätte, es in die NBA zu schaffen… Was unter strenger Beobachtung von Jimmy Butler geschah, da Quinten Jimmys neuer Schützling ist – und es selbst mich überraschte, wie Quinten mit mir plötzlich deutsch redete.
Ich hatte zwar vermutet, dass Quinten vielleicht etwas Deutsch sprechen kann, da die niederländische Sprache der deutschen ja nicht so fern ist und Quinten 2018 nach Deutschland kam, um erst für Alba Berlin II zu spielen, als auch für Lokomotive Bernau.
Dass seine Kenntnisse aber so gut waren, überraschte doch einige im Locker Room. Vielleicht hatte ich mich in Jimmys Augen ganz ordentlich angestellt, da er nicht gerade einer der Spieler ist, der es mir leicht gemacht hat, in der Vergangenheit, gute Antworten auf meine Fragen oder überhaupt Antworten auf meine Fragen zu bekommen.
Ich aber dann dieses Mal post game im Locker Room, bei meiner Frage an ihn, eine sehr schöne Antwort bekam. Was mich wirklich sehr gefreut hat, da Jimmy mit einer der wenigen Spieler ist, den ich sehr schwer zu lesen finde – und ich grade seine Geschichte so inspirierend finde und hoffe, eines Tages mehr darüber schreiben zu können, da ich glaube, dass wir solche Geschichten und Vorbilder brauchen, um uns immer wieder daran zu erinnern, was wir alles schaffen können, wenn wir an uns glauben und nicht aufgeben.
Jeder hat sein eigenes Paket zu tragen, aber wenn wir Erfahrungen und Tipps miteinander teilen, kann es leichter sein, sie einander zu tragen. Umso mehr hat es mir bedeutet, dass Quinten so offen seinen Weg mit mir geteilt hat.
Viel zu oft in dieser heutigen Zeit, öffnen wir uns kaum noch, um nicht verletzt werden zu können. Dabei liegt im Sich-Verletzlich-Zeigen so eine Kostbarkeit, was wir zuletzt auch an der Geschichte rund um Luka Dončić sehen konnten. Gerade gestern erst war das Spiel gegen die Mavs, in dem wir zu Beginn einen zutiefst bewegten und weinenden Luka sahen, als die Mavs sein Tribute-Video zeigten.
Auch Luka hätte versuchen können, seine Emotionen zu verstecken, aber ich bin überzeugt: Erst wenn wir Emotionen nach außen zulassen und benennen können, können wir sie in Kraft und Energie umwandeln. Denn wenn wir sie in uns hineinfressen, kann es uns bitter machen – und wir laufen Gefahr, mit Wut oder Sorgen herumzulaufen.
Wie wichtig die Kommunikation ist, sehen wir auch anhand des Erfolgs der Lakers. Ich glaube, wenn wir eins über JJ Redick durch die Öffentlichkeit in der Vergangenheit erfahren haben, dann dass JJ weiß, wie man gut kommuniziert und Wissen weitergibt.
Jedes Mal, wenn ich in einer Pressekonferenz von ihm bei sitze, beobachte ich, wie bedacht er seine Worte wählt. Er analysiert die kleinsten Details, geht immer wieder ins Eins-zu-eins-Gespräch mit Spielern und Coaches, bleibt immer offen für Verbesserung, aber fährt trotzdem eine klare Linie, bei der man weiß, woran man ist.
Eine Identität ist so wichtig – und die sehen wir immer mehr bei den Lakers, was ich glaube, sie tatsächlich mittlerweile sehr gefährlich in den Playoffs machen wird und sie nicht mehr unterschätzt werden sollten.
Die Lakers verlieren am Ende knapp mit 116 zu 123 gegen die Warriors. Kaum konnte ich realisieren, was ich da sehen durfte – 48 Minuten lang. Sitzplätze mit perfektem Blick, die Mittellinie 15 Meter Luftlinie entfernt, und genau die zwei Teams vor mir, bei denen KEINER am Anfang der Season hätte voraus sagen können, diese Starting Five am Ende auflaufen zu sehen.
Es war für mich mein erstes Game, mit Jimmy Butler als Warrior. Wer konnte schon ahnen, dass Jimmy genau DAS fehlende Puzzleteil sein würde – und wir noch einmal einen Draymond sehen würden, wie in Championship-Zeiten.
All die Draymond-Hater vermischen seine Off-Court-Ansage und sein oft sehr impulsives Verhalten auf dem Court mit seiner Leistung. Wenn wir aber mal das ganze Gerede seinerseits weglassen und seine Performance in einem Vakuum betrachten, ist es außerordentlich, was er da leistet – ganz zu schweigen von seinem Basketball-IQ.
Er ist wie ein Hellseher, der alle Basketballplayer jedes Teams kennt und genau weiß, wie sich der gegnerische Spieler in der Offense bewegt, was genau sein nächster Schritt ist. Für mich einfach nur beeindruckend.
Am Ende haben die Warriors verdient gewonnen, und ich bin gespannt zu sehen, ob sie die Regular Season noch auf einem fixen Playoff-Seed landen oder ob sie doch übers Play-in gehen müssen.
Post-Game hatte ich die Ehre, eine Frage an Steph zu stellen. In der letzten Minute im Spiel stand er an der Freiwurflinie. Innerhalb weniger Sekunden füllte sich die Arena mit sehr lauten MVP-Gesängen. Ich staunte nicht schlecht, da wir uns ja in der Lakers Arena befanden – und wenn eine Franchise dafür bekannt ist, eine Übermacht an Fans zu haben, dann sind es die Lakers. Es dauerte sicher bis zu 4 Sekunden, wie die ersten Buh-Ruhe einsetzten.
Und hier macht sich auch das Ausmaß sichtbar, wie geliebt und gefeiert Stephen Curry ist. Wenn es einer schafft, dass du in der Crypto Arena sitzt – und dir auf einmal vorkommst, als ob es das Chase Center ist, dann er. Noch dazu ist es eigentlich super untypisch in der NBA, dass man so viele Auswärtsfans in einer Arena hat.
Genau darauf baute meine Frage auf: Ich fragte Steph, dass er es ja wahrscheinlich gewohnt sei – egal in welcher Arena er sich befindet – Fans hat, die ihn und das Team supporten. Aber dass dieser Moment schon von großem Ausmaß war. Ob er es auch so wahrgenommen hat, ob man es in dem Moment überhaupt realisiert – und wenn ja, was da einem durch den Kopf geht.
Zu meiner Freude gab er mir eine sehr schöne Antwort, in der ich auch noch mal nachhaken konnte:
Stephen Curry „Ich schätze es sehr, wie unsere Fans mit uns reisen. Die Bay Area – Dub Nation. Ich denke, wie in jeder Sportart. Es ist einfach ein Vibe. Wir lieben die Wettkampfstimmung – auf dem Court und auch auf den Rängen.
Ich erinnere mich an meine ersten Jahre, wie wir gegen die Lakers in der Oracle Arena gespielt haben. Aber die Lakers-Fans waren viel lauter, wenn Kobe aufs Feld kam. Das war eine seltsame Dynamik. Jetzt sehe ich die andere Seite davon. Es ist Sport, es macht Spaß – man nimmt das alles auf.“
Aurelia Rieke: „Im NBA-Basketball kommt es ja eigentlich nicht so häufig vor. Ich komme aus Deutschland – im europäischen Fußball ist das völlig normal: zwei Fanlager, klare Seiten.“
Stephen Curry: „Es wird viel darüber geredet – ich will gar nicht zu tief da jetzt einsteigen – über Fanbindung, Zuschauerzahlen in der Liga, all das. Aber wenn man in so einer Arena wie heute steht, dann merkt man: Basketball ist in einer richtig guten Verfassung – unter anderem genau deshalb.
Ich liebe es zu spielen, ich liebe diese Atmosphäre. Und wenn man sich das heutige Spiel anschaut – hoffe ich, war es für alle unterhaltsam. Basketball ist in einer sehr guten Verfassung.“
Ich saß ganz am Rand, wo der Weg entlangführte, den die Spieler nehmen müssen, um die PK zu verlassen. Da es die letzte Frage war, stand Steph nach den Worten auf. Auf dem Weg zum Ausgang sagte Steph mir noch: „Gute Frage.“ Was einen natürlich sehr freut.
Da ich glaube, dass für die meisten Spieler, die schon lange im Business sind, oft nichts Nervigeres gibt, als die immer wiederkehrenden gleichen Fragen zu beantworten.
Auch ein guter Punkt zur Überleitung zu den Clippers. Denn genau das ist ja, was Steve Ballmer versucht, in die Clippers-Fan-Culture zu implementieren: europäisches Fantum – mit seiner „Wall“, die mich tatsächlich mit jedem Mal mehr beeindruckt.
Am Anfang dachte ich nämlich, das wird nicht lange halten, dass sich die Fans die sich auf dem „Wall“-Rang befinden, so lautstark und ausdauernd beiben. Aber aktuell sieht es so aus, als hätte sich das wirklich durchgesetzt. Und da mein großer Respekt an Ballmer, dass er den Mut dazu hatte.
Des Weiteren kann ich nur zu den Clippers sagen: Wenn wir endlich wieder mal einen fitten Kawhi in den Playoffs haben, Norman Powell wieder ganz an alte Leistungen anknüpfen kann – wird das gar nicht mal so uninteressant. Aktuell haben die Clippers auch eine gute Chance, auf einem festen Playoff-Spot zu landen, ohne Play-in.
Und wenn sie dann die Woche Pause, die dadurch entsteht, gut für sich nutzen können, könnten die Clippers einigen Teams gefährlich werden.
Am vergangenen Samstag hieß es dann, Clippers vs. Mavs, – die Clippers haben die aktuell stark geschwächten Mavs mit 104 zu 135 abgespeist.
Das Schöne: Durch den Blowout hat am Ende Cam Christie noch ganze sieben Minuten bekommen, den wir sonst nicht hätten spielen sehen – und so hatten wir noch Cam und Max Christie zusammen auf dem Court.
Ich liebe diese Brüderpaare. Wie cool muss das bitte sein, wenn du mit deinem Bruder zusammen auf einem NBA Court stehen kannst, und damit deine Brötchen verdienst.
Diesbezüglich habe ich Tyronn Lue noch eine Frage in der PK post game gestellt; seine Gedanken dazu, die beiden zu sehen, und ob er eine Erklärung für mich habe, wieso wir aktuell so viele Brüderpaare in der Liga finden?
Seine Antwort – first of all: „They must be rich!“ – LOL, fand ich zu gut.
Des Weiteren habe er keine Ahnung, wie es dazu kommt – er müsste mal bei den Jungs nachfragen, woran das liegen könnte.
Weiter ging es dann im Locker Room der Clippers, der mich auch immer wieder aufs Neue beeindruckt, weil der wirklich groß ist. Steve Ballmer hat sich nicht lumpen lassen, was den Intuit Dome angeht.
Hier konnte ich noch mit Ivica Zubac und Kawhi reden – beides Spieler, deren Ruhe, die sie ausstrahlen, auf mich einen super positiven Impact hat. Spieler, mit denen es mir eine große Ehre wäre, mich mal länger über ihren Werdegang unterhalten zu können.
Zubac hat einen starken Case, dieses Jahr Most Improved Player zu werden – was mich unglaublich für ihn freuen würde. Aber ich glaube, es wird schwer für ihn. Statistiken deuten eher auf andere Spieler – but you never know. Das Schöne für mich: Ich kann dieses Jahr etwas mitgestalten.
Mir wurde die große Ehre zuteil, dass ich mich im diesjährigen Voting Committee befinde. Vielleicht gebe ich ihm ja meine Stimme. Wem ich am ende alles eine Stimmen geben werde, könnt ihr hier in der nächsten Ausgabe lesen.
Zu gerne würde ich euch noch tausend weitere schöne Geschichten erzählen, aber die heutige Ausgabe hat schon deutlich Überlänge.
Deswegen bleibt mir nur noch zu sagen:
Ich wünsch euch ein schönes Wochenende – bis dahin,
Euer Flight Girl